Dr. Ingo Bartsch
Subtile Angriffe auf den Farb-Sinn
Semiotisch/semantische Bedingungen
Vor nicht langer Zeit, etwa Ende der 90er Jahre, schien eine Beschreibung des malerischen Werkes von Susanne Stähli noch weniger schwer; heute hat sich der Zugriff erheblich, zum Komplexen hin, gewandelt.
Gab es bis dahin in gewissem Sinne eine Konfrontation von semi-figurativen, oft zeichenhaft-reduzierten Einschüben mit dem farbigen Bildgrund, so weist die Tendenz jetzt eher in die Richtung einer beruhigten all-over-Struktur, bei der sich gegenständliche Assoziationen eher selten einstellen…
….Susanne Stähli wählt für ihre Gemälde grundsätzlich „reine“ Acryl-Farben aus; die primäre Trias Rot- Gelb- Blau ergänzt sie dann bisweilen durch gleichermaßen intensive Grünwerte.
Buntheit durch Gleichzeitigkeit bildet jedoch nicht das künstlerische Konzept, das sie verfolgt. Vielmehr werden empirisch gewonnene Erfahrungen „materialisiert“, in vielerlei additiven Arbeitsschritten, die wegen der lasierenden Farbdosierung als Schichtungen nach-empfunden werden können. Dieser Wille zur Überlagerung erzwingt naturgemäß die technische Ausführung der Bilder auf dem Boden, schon, um den Farbverlauf im Bildgeviert nicht dem Zufallsprinzip zu überlassen.4
Denn alles ist überlegt, wird durchgespielt mit dem hoch sensibilisierten Nerv für Intuition.
Ein produktiver Widerspruch zwischen einem empirisch ausgeloteten Wissen über das mögliche Anzuwendende und der spontanen Eingabe formt letztendlich den malerischen Impuls, der sich dann auf der Leinwand abbildet.
…Susanne Stähli arbeitet … in kontemplativer Konzentration, und die überlegten Schritte des Überlagerns der Farbschichten zeugen von dem hohen Grad an Sensibilität, der sich im Laufe ihrer nunmehr über zwanzigjährigen Arbeit auf diesem Sektor ausgebildet hat…
…Susanne Stähli erreicht dies vor allem durch die Variationen des Farbverlaufes, der auf der Leinwand einem vorab nicht festgelegtem Rhythmus des An- und Abschwellens der Farbdichte folgt. Wir blicken durch Farb-Vorhänge in eine unergründliche Tiefe, sodass nicht einfach ein robuster Farb-Körper sich formt, sondern ein unerklärliches „Dahinter“. Nennen wir es in Anspielung auf die oben angesprochene „Stimmung“ ohne Scheu „geheimnisvoll“.
Auszug aus Katalog 2005
Dr. Ingo Bartsch, (gest. 2007), ehem. Direktor des Museum am Ostwall, Dortmund